Beziehungsarbeit - ein Fallbeispiel

'Sie müssen an der Beziehung arbeiten'  Das habe ich mir von der allerersten Hundetrainerin angehört, die wir zu Rate gezogen hatten. Wir waren sehr verzweifelt, als Cloe tief depressiv und panisch bei uns vor fast 10 Jahren einzog, so gar nicht an der Interaktion mit uns interessiert war und nur im Wald beim Jagen manchmal glücklich wirkte (was wir aber definitiv nicht zulassen konnten).

Na toll, und wie macht man das? Beziehungsarbeit mit einem Hund?

Die Hundetrainerin empfahl mit Cloe Ball zu spielen. Nur spielt Cloe leider nicht, damals nicht und auch heute nicht. Dann sollten wir als Familie eben Ball spielen und uns interessant machen. Wir haben viel Ball gespielt. Cloe fand das super, da waren wir wenigstens beschäftigt und haben sie in Ruhe gelassen. Näher gekommen sind wir ihr damit nicht.

Danach kam eine andere Trainerin, die dafür gesorgt hat, dass ich sachkundig wurde, sehr viel über Lerntheorien und das Erarbeiten von erwünschtem Verhalten gelernt habe. Damit war vieles besser, aber eine gute Beziehung hatten wir trotzdem nicht, Cloe und ich. Es war eher vergleichbar mit einer Arbeitsbeziehung als mit einem Sozialpartner, was uns verband.

Immerhin besser als nichts, aber so wie ich mir das Zusammenleben mit einem Hund vorgestellt hatte, war es noch immer nicht. Cloe war im Training meist gut dabei, im Alltag verweigerte sie sich weiterhin und manchmal lief sie tagelang angstgepeinigt vor uns davon, ohne dass wir es an irgendeiner Situation festmachen konnten. Sie litt, wir litten mit.

Wie kann ich dann eine Beziehung aufbauen zu einem Hund, der offensichtlich traumatisiert ist und nichts mit mir zu tun haben will?

Die Hundetrainerin, die uns letztendlich zusammengebracht hat, hat mir manch schlaflose Nacht beschert. (Danke, Christel :-)) Es ging plötzlich nicht mehr um den Hund, der ja bereits perfekt erzogen war und alles konnte, sondern um mich:

Warum will ich so unbedingt, dass Cloe eine gute Beziehung zu mir hat? Was passiert, wenn sie die niemals aufbaut? Was macht denn eine gute Beziehung aus? Was ist mir wichtig bei jemandem, auf den ich mich verlassen möchte? Wem vertraue ich und warum?

Ich habe lange gebraucht, um diese und viele weitere sehr persönliche Fragen für mich zu beantworten. Manchmal war das unangenehm, manchmal aber auch ganz einfach und klar.

Nach und nach habe ich begriffen, dass es viel weniger um den Hund geht als um mich. Cloes Stimmung durfte mir nicht zusetzen, wenn ich mit ihr weiterkommen wollte. Wenn ich stabil und zuverlässig war, wenn ich klar formulierte, was ich wollte und was nicht, dann war ich eine verlässliche Größe. Wenn ich nicht ständig nach Cloes Befindlichkeit guckte und meine Stimmung nicht vom Hund abhing, dann konnte sie viel besser neue Verhaltensmuster ausprobieren - vor allem, wenn ich sie mit den alten Mustern nicht weiterkommen ließ.

Das bedeutete aber auch, dass ich mich in bestimmten Situationen äußerst unbeliebt machen musste, egal was das bei Cloe auslöste. Das fiel mir damals unendlich schwer.

Was habe ich gelernt? Eine gute Beziehung kann ich nur anbieten, ich kann sie nicht erzwingen.

Meine Zutaten sind Verlässlichkeit, Empathie und ein fundiertes Fachwissen über Hunde, aber auch eine gewisse Stabilität gegenüber Stimmungsschwankungen des Anderen, egal ob Mensch oder Hund.

Meine Angebote sind gemeinsame Aktionen, von denen ich glaube, dass sie uns beiden gefallen. Aber ich bin weder sauer noch persönlich betroffen, wenn Cloe sich verweigert (was sie beim Spielen noch heute sehr häufig tut). Das hat erstmal alles nichts mit mir zu tun. Dann lassen wir es halt.

So wurde es mit Cloe immer besser und mir wurde immer klarer: Bleibt meine Stimmung stabil, bleiben meine Angebote freundlich, aber trotzdem auch meine Verbote zuverlässig, dann bekommt Cloe einen Rahmen, in dem sie sicher ist und explorieren kann, denn mit starker Rückendeckung versucht man angstfreier etwas Neues.

Letztendlich entspricht das der Bindungstheorie: Aus einer sicheren Bindung heraus kann Autonomie entstehen. Wer Lust hat, kann hier eine Menge dazu finden.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Bindungstheorie

Dass Hunde im Sozialverhalten den Menschen sehr ähnlich sind, wird glücklicherweise nach und nach immer klarer und belegbarer: Biologe K. Kotrschal - Es ist unpassend Hunde als Tiere zu bezeichnen

Aber das war ja vor 10 Jahren noch nicht veröffentlicht und sowas wurde da eher milde belächelt.

Versucht habe ich es trotzdem: Als ich die Erwartungen an Cloe zurückgenommen habe und klar gemacht habe, dass sie sich auf mich verlassen kann im 'Guten" wie im Bösen', konnte sie ihre Verweigerung langsam zurückschrauben und sich auf das Leben mit uns einlassen. Panikattacken hat sie nicht mehr.

Hunde sind glücklicherweise unglaublich anpassungsfähig, selbst so deutlich traumatisierte Hunde wie Cloe. Sie ist in meiner Vierergruppe noch immer der komplizierteste Hund, aber sie ist auch die Verlässlichste und diejenige, die am überlegtesten handelt. Wir haben beide viel gelernt. Ich kann Cloe inzwischen sehr gut einschätzen und weiß, was sie will. Ihr geht es mit mir genau so. Wir können uns aufeinander verlassen - sowohl auf die Stärken wie auf die Schwächen des anderen - und das macht unsere Beziehung gut.

Mein Fazit: Sachkunde zur Hundeerziehung ist ein wichtiger Baustein zum freundlichen Miteinander, aber Beziehungsarbeit hat vor allem mit mir zu tun!

© Dr. Britta Schumann für A.S.P.A. friends e.V.

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