von Kirsten Berger -
Silvester steht unmittelbar vor der Tür - mit der leider unerfreulichen Knallerei. Meist beginnt es mit den ersten Böllerschüssen kurz nach Weihnachten und dauert fast eine Woche nach Silvester an bis der letzte Knaller und die letzte Rakete verschossen ist. In diesem Jahr hat der eine oder andere Hundebesitzer Glück, dass das Silvesterfeuerwerk wie letztes Jahr ausfällt. In vielen anderen Regionen ist die Böllerei jedoch zumindest im eigenen Garten erlaubt. Diese vielen Unklarheiten machen somit die Sache nicht besser und im Grunde muss man wieder auf alles gefasst sein.
Im übrigen gibt es auch unter dem Jahr immer häufiger Feuerwerke - sei es bei Straßenfesten, Vereinsfesten und privaten Feiern.
Unsere Vierbeiner reagieren höchst unterschiedlich. So interessieren sich manche Hunde überhaupt nicht dafür, manche zittern ein bisschen und fühlen sich unwohl oder werden allenfalls geringfügig unsicher, während andere in völlige Panik (sogar über Tage) geraten. Dann ist es auch meist mit der Ruhe und Gelassenheit des Hundebesitzers vorbei.
Was kann man tun:
Das Wichtigste ist, dass der Hundebesitzer ruhig bleibt, denn unser Vierbeiner spürt (und riecht) unsere Sorgen und Ängste sofort und damit verstärken wir seine Angst (Stimmungsübertragung).
Unser Hund sollte unbedingt die nächsten Tage doppelt gesichert sein! Sprich ein Halsband (am besten ein Zugstopphalsband oder ein Martingalehalsband) und ein ausbruchsicheres Geschirr sowie 2 Leinen tragen. Idealerweise ist eine Leine an einem Leinengürtel gesichert (bei panischen Hunden unbedingt zu empfehlen). Es reicht zur Not auch mal ein stabiler Gürtel. Zusätzlichen Schutz bietet eine Koppel, eine Verbindung von Halsband und Geschirr, die man schnell mit zwei Karabinerhake und einer dicken Schnurr selbst basteln kann.
Und bitte nicht vergessen, auch im Garten sollte der Hund unbedingt gesichert sein, egal wie gut eingezäunt dieser ist.In Panik entwickeln Hunde erstaunliche Fähigkeiten, zumal es dieses Jahr auch zu erwarten ist, dass häufig im heimischen Garten geknallt wird, da ja öffentliche Plätze meist verboten sind.
Wir empfehlen euch unser Infoblatt zur Sicherung des Hundes auf unserer HP https://www.aspa-ev.de/zuhause-gesucht/infoblatt-sicherung-hund/
Besser ist es, an einen ruhigen Ort zu fahren (wenn in der jetzigen Situation überhaupt erlaubt) und nur einen kurzen Spaziergang zu machen und zuhause den Hund mit interessanten Spielen und feinen Leckereien (gut geeignet Leberwursttube, damit der Hund schlecken muss) abzulenken. Beruhigend sind oft Kauartikel und oft noch besser langes Schlecken (dabei wird im Gehirn das beruhigende Hormon Oxytocin, umgangssprachlich auch als Kuschelhormon bezeichnet, freigesetzt) - dazu eignet sich am besten ein gefüllter KONG. Aber er reicht natürlich auch ein alter Joghurtbecher oder ein Plastikgefäß.
Bei völlig panischen Hunden sollte man mit dem Tierarzt über eine medikamentöse Behandlung sprechen.
Leider wird nicht selten Sedalin Gel® (Wirkstoff Acepromazin) vom Tierarzt verabreicht. Dieses Medikament ist jedoch kontraindiziert! Hier muss mit nicht unerheblichen Nebenwirkungen gerechnet werden und zwar von völliger Sedierung und Kreislaufkollaps bis paradoxer extremer Unruhe und Muskelzittern. Außerdem sind Hunde durch die starke Sedation meist nicht mehr in der Lage sich adäquat zurückzuziehen, sodass sogar mit einer vermehrt auftretenden Angst zu rechnen ist. http://www.vetpharm.uzh.ch/reloader.htm?wir/00000006/1007_07.htm?wir/00000006/1007_00.htm
Deshalb sollte Acepromazin nicht mehr gegeben werden. Von vielen Tierärzten wird diese Therapie mittlerweile auch völlig abgelehnt.
Benzodiazepine (ein analoges Medikament aus der Humanmedizin ist Valium®) oder Alprazolam können gut im akuten und schwerwiegenden Fall eingesetzt werden und wirken gut anxiolytisch (angstlösend). Bei jedem Hund muss die individuelle Dosis festgelegt werden. Hier steht die beruhigende, angstlösende Wirkung im Vordergrund, die Sedation ist nicht so ausgeprägt wie bei Acepromazin. Es ist sinnvoll und wichtig, die Therapie schon 2-3 Tage vor Silvester zu beginnen.
Bei einem schon völlig aufgeregten Hund helfen Benzodiazepine meist nicht mehr oder können sogar paradoxe Reaktionen auslösen und somit die Angst verstärken.
Der Hund muss draußen unbedingt an der Leine bleiben und im Haus genügend Rückzugsmöglichkeiten haben.
http://www.vetpharm.uzh.ch/reloader.htm?wir/00000043/9145_04.htm?wir/00000043/9145_00.htm
Probleme gibt es hier eher von Seiten der Verordnung, weil dieses Medikament nicht mehr für den veterinärmedizinischen Gebrauch zugelassen ist, da Sileo das Mittel der Wahl ist.
In besonderen Fällen kann es jedoch rezeptiert werden.
So wird heutzutage vorrangig Sileo® (Dexmedetomidin verordnet , insbesondere zur akuten Therapie. Sehr alte, allgemein geschwächte Hunde sollten das Medikament nicht erhalten. Auf eine die entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen bei Anwendung sollte unbedingt geachtet werden. Ferner sollten Medikamente nicht kombiniert werden.
Bei leichten Ängsten oder in Kombination gibt es folgende Möglichkeiten: Pheromone (als Halsband und/oder Zerstäuber) L-Tryptophan (Relaxan® und Relaxan plus®), eine essentielle Aminosäure α-Casozepin (Zyklene) sollte körpergewichtsadaptiert in doppelter Dosis gegeben werden,wobei Relaxan und Zylkene kombiniert werden können
und/oder
Phytopharmaka (pflanzliche Medikamente)
Dazu gehören Baldrian, Melissenblätter, Johanniskraut, Passionsblumenkraut, Lavendel, Hopfen. Als fertige Medikamente stehen Canised® (mit zusätzlichem Vit.B und Kalium) sowie Vivosed® mit zusätzlich Magnesium und L-Thryptophan (Aminosäure, eine Vorstufe des sogenannten Glückshormons Serotonin). Eine medikamentöse Therapie sollte immer begrenzt sein und nicht in Form von Fertigfuttermittel gegeben werden. Bei Lavendel kann es zu Magen-Darm-Beschwerden kommen (beim Menschen auch). Johanniskraut kann eine Photoallergie auslösen, das heißt es kommt bei Sonneneinstrahlung zu einer Art Sonnenbrand. Das ist sicher bei gut behaarten Hunden kein Problem, bei sehr hellhäutigen, insbesondere glatthaarigen Hunden würde ich davon absehen.
Bei Einsatz von psychotropen Substanzen ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Tierarzt, Verhaltenstherapeut und Hundebesitzer unbedingt erforderlich und sollte auf jeden Fall das Mittel der letzten Wahl sein! Weiter werden eingesetzt homöopathische Mittel (Z.B. Aconitum - blauer Eisenhut, Ignatia - Ignatiabohne u.a.), Bachblüten, Schüßler Salze, Aromatherapie.
Von mir favorisiert- der Eierlikör:
Durchaus sinnvoll kann mal ein kleines Schlückchen Eierlikör sein oder manch Vierbeiner schlürft auch gerne mal einen Schluck Bier, wobei hier natürlich klar ist, “die Dosis das Gift macht“ (das sagte schon Paracelsus vor ca 500 Jahren und dürfte jedem Menschen schon durch eigene Erfahrungen bekannt sein) Ab 3g pro KG Körpergewicht zeigen sich Zeichen des Beschwipstseins bzw. Zeichen der Intoxikation sprich Alkoholvergiftung (analog wie beim Menschen). Je nach menschlicher Konstitution ist der eine mit einem Glas Eierlikör schon ruhiger, der andere merkt nix, bei einer Flasche geht es einem natürlich elend, was einem in aller Regel im Vorfeld schon klar ist ;-) In einem kleinen Glas Eierlikör befinden sich ca. 2-3,5 Gramm Alkohol. Meine 12kg Hündin erhält gegen 21 Uhr ein kleines Glas oder 1-2 Esslöffel Eierlikör und gegen 23 Uhr eine erneute Portion. Mit Vergiftungssymptomen müsste man also bei ca. 12 Eierlikörgläser rechnen, das heisst 1-3 Gläser sind natürlich eine geringe Dosis. Das ist meine persönliche Erfahrung, natürlich ohne Gewähr. Damit kann sie die Knallerei gut ertragen. Mit dieser Rezeptur ist sie 17 Jahre geworden. Ich empfehle auch den sehr lesenswerten und lebensnahen Artikel von Tierarzt Rückert. https://m.facebook.com/story/graphql_permalink/?graphql_id=UzpfSTEwMDA0NDYzMzQ5MDIyNjo0MzE5NzQyNDE2MzM2ODk%3D
Hilfreich kann für manche Hunde auch ein Thundershirt sein. Den gleichen Effekt erreicht man auch mit einem eng ansitzenden Kinder-T-Shirt oder sorgfältig angelegten Bandagen. Wenn möglich sollte man, die Fenster verdunkeln. Das wichtigste scheint mir aber nach wie vor, dass wir Menschen uns so 'normal' wie möglich verhalten, damit wir unseren Stress nicht auf den Hund übertragen. Wir sollten auch nicht die Lernfähigkeit unserer Hunde unterschätzen und gleich im neuen Jahr mit der Desensibilisierung von angsteinflößenden Geräuschen beginnen. Und sei es auch nur, dass man eine Ausweitung der Ängste vorbeugt (was bei Ängsten nicht selten passiert). Wer wirklich einen sehr gestressten Hund hat, sollte gut vorbereitet sein und wer einen neuen Hund hat, sollte grundsätzlich auf alles gefasst sein. Darum bitte ich alle neuen Adoptanten wirklich ausgesprochen vorsichtig zu sein. Eure Hunde kommen zum Teil aus extrem reizarmen Gegenden und sind so viel Trubel nicht gewöhnt.
Das Wichtigste ist, dass ihr euren Hund und auch euch selbst nicht überschätzt. Manch gelassener Hund kann im Laufe seines Lebens Ängste entwickeln, umgekehrt können Ängste auch geringer werden. Bei meiner alten Hündin war die Silvesterangst zum Glück nur noch gering, da sie inzwischen fast taub und blind war. Inzwischen erscheint es mir so, dass sie im Grunde nur noch der Geruch von abgebranntem Feuerwerk beunruhigt. Setzt Euch vor allem nicht unter Stress. Euer Hund kann ruhig einmal ein paar Tage nur kurz rauskommen. Sicher ist sicher, auch dieses Silvester geht vorbei.
Wir wünschen allen ASPA-Freunden, allen Lesern und allen vierbeinigen Familienmitgliedern ein glückliches neues Jahr.
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