Angst beim Hund - wie gehe ich damit um

Angst ist eine Emotion, die überlebenswichtig ist. Sie schützt davor, sich in gefährliche Situationen zu bringen. Das ist sinnvoll. Angst kann aber auch über das Ziel hinaus schießen und das Leben sehr einschränken. Angst verändert die Wahrnehmung, sie beeinflusst das Hormonsystem, sie erzeugt Stress. Das sollte niemals ein Dauerzustand sein. Dann ist es notwendig die Angststörung zu therapieren, um eine gute Lebensqualität wieder her zu stellen. Das ist soweit einleuchtend und eigentlich auch jedem klar. Warum aber wird dann Angst bei Hunden aus dem Tierschutz so oft als unabänderlich gesehen? 

Natürlich gibt es schwerst traumatisierte Hunde, die häufig nicht ohne Therapie in ein angstfreies Leben zurück finden, ggf medikamentös behandelt werden müssen und in die Hand eines erfahrenen Therapeuten gehören. Die sind aber die Ausnahme!

Ein ängstlicher Hund ist oftmals bequem für den Halter. Er ist nicht selbständig, wird nichts Überraschendes tun. Und als Halter glaubt man zudem, eine arme geschundene Seele bei sich aufgenommen zu haben und Gutes zu tun. Das ist ja zunächst auch richtig. Nur sollte man dann schnell beginnen, die Angst beim Hund abzubauen für ein entspanntes und gesundes gemeinsames Leben. Alles andere wäre unfair dem Hund gegenüber.

Häufig wird gelehrt, Angst solle ignoriert werden. Das ist völlig richtig - und das ist völlig falsch. Unsinnige Angst zu ignorieren signalisiert dem Hund, dass ich mir sicher bin, dass keine Gefahr besteht. Das macht Sinn, solange der Hund noch nicht völlig überwältigt ist von seiner Angst. Trotzdem signalisiere ich dem Hund, dass ich für ihn da bin und beobachte gut, ob er es schafft mit seiner Unsicherheit klar zu kommen. Wenn er noch wahrnehmen kann, was um ihn herum passiert und er eine gute Bindung zum Halter hat, dann wird er sich am Halter orientieren und die Angst wird nachlassen.

Das sieht anders aus, wenn der Hund völlig panisch wird. Dann hilft Ignorieren ganz sicher nicht und lässt den Hund eher im Gefühl, dass er allein ist und ich mich nicht darum kümmere, was aus ihm wird. Hier muss ich meinem Hund helfen! Ich muss ihn aus der Situation schnell aber souverän herausholen. So kann er lernen, dass auf mich Verlass ist. Ich muss mir überlegen, was die Panik ausgelöst hat und wie ich zukünftig daran üben kann.

Es gibt keine pauschale Lösung zum Umgang mit Angst, aber das grobe Gerüst beim Umgang mit Angst ist dennoch nicht schwierig umzusetzen.

Angst verstärkt sich, wenn ich ihr nachgebe. Sie wird abgebaut, wenn ich mich ihr stelle. Also muss ich die angstauslösende Situationen ganz gezielt suchen und dort zusammen mit dem Hund üben. Der Hund muss die Chance bekommen, sich mit der Angst auseinander zusetzen.

Bei der Behandlung von phobischen Störungen beim Menschen setzt man den Patienten immer genau soviel Angst aus, wie er gerade noch ertragen kann. Dann wartet man, bis die Angst nachlässt und hat so oftmals schnell ein gutes Erfolgserlebnis: Die eigene Angst zu überwinden macht stark.

Die Theorie ist soweit klar, aber wie geht das jetzt praktisch vor sich? Niemals würde ich mein vor Angst schreiendes Kleinkind am Kragen in eine Straßenbahn zerren und es dort weinend und zitternd am Boden liegend ignorieren, sondern ich würde mich doch eher in sicherem Abstand an der Straßenecke hinhocken und dem Kind erklären: "Schau mal, die Straßenbahn fährt auf Schienen. Die kannst du auf der Straße sehen. Von diesen Schienen kann sie gar nicht runter. Deshalb musst du auch keine Angst haben. Wenn du magst, dann gehen wir jetzt mal dichter ran und gucken uns das genauer an." Und so weiter, Schritt für Schritt. Bis mein Kind irgendwann zwar noch skeptisch, aber nicht mehr panisch mit mir in die Bahn steigt.

Nur kann ich mit dem Hund ja nicht reden...wie funktioniert das hier? Auf den Hund übertragen hieße das, ich gehe mit meinem Angsthasen ganz gezielt an einem frühen Sonntag morgen, wenn sonst wenig los ist Richtung Haltestelle, nehme mir ein Buch mit und setze mich gemütlich genau dort hin, wo mein Hund noch in der Lage ist, sich an mir zu orientieren. Und da bleibe ich dann, am besten schützend zwischen dem Hund und der Bahn.

Habe ich mich verschätzt und der Hund gerät dennoch in Panik, dann spende ich Trost, aber ich bemitleide nicht! Ich verlasse mit ihm die Situation und übe mit etwas mehr Abstand.

Lässt die Angst dann nach und der Hund kann vielleicht sogar ein Leckerchen nehmen, während eine Bahn einfährt, dann gehe ich gemütlich wieder nach Hause und freue mich über den Erfolg.

Nicht mehr wollen bei diesem ersten Schritt! Wenn ich jetzt noch dichter ran gehe, dann ist das kontraproduktiv. Der Hund hält mir zuliebe etwas für ihn Gruseliges aus und wird mit noch mehr Grusel dafür bestraft - geht gar nicht! Also einfach gemeinsam drüber freuen und nach Hause gehen. Und dann frühestens am nächsten Tag den nächsten Schritt gehen.

So kann ich als Hundehalter ganz gezielt einen Hund mit Ängsten in ein normales Hundeleben führen. Und ich kann dafür sorgen, dass der Hund mir zutraut, schwierige Situationen zu lösen, sich also auf mich verlässt und weiß, dass ich Angstauslöser einschätzen und handhaben kann. Ich ermögliche meinem Hund damit, bei beängstigenden Dingen neue Lösungsansätze zu finden, sich an meinem Verhalten zu orientieren, neugierig zu werden und sich nicht mehr in der Angst zu verlieren.

Und das haben aus meiner Sicht alle Hunde, ganz besonders die aus dem Tierschutz, verdient.

© Dr. Britta Schumann für A.S.P.A. friends e.V.

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